…Mongolei 2012 Teil 5...



Sonntag 15.7.2012

Also, gestern Abend wurde ich noch auf eine schwere Probe gestellt. Aus einen Nachbar-Ger-Camp hörte man Techno-Sound, eigentlich schon am Abend, aber da dachte ich, die werden schon aufhören. Das taten die aber nicht. Die Bässe haben um 11:00 und auch noch später gehämmert. Ich lag in meinem Bett, mitten in der Natur, 5 km vom nächsten Ort entfernt und jetzt ist hier Disko angesagt. Die Techno-Beats machten mich richtig aggressiv. Was sollte ich machen? Ohrstöpsel rein, Ohrhörer rein, Ipod an nichts half. Scheiße, ich kann nicht schlafen, weil so Deppen die Lautsprecher aufdrehen. Am liebsten gleich abreisen, beschweren, was weiß ich.... Ich klopfe bei Purve nebenan, er lacht, weiß gar nicht was mir nicht passt. Also wieder ins Bett, durchschnaufen, runterschalten, Hörbuch abhören. Darüber bin ich dann auch eingeschlafen, mein Schlaf war stärker.

Um 8:30 bin ich aufgewacht, leichter Regen auf das Ger-Dach. Ich öffnete die Tür, es sah grau aus, aber die Sonne kam schon raus und vertrieb die Regenwolken. Nach den daily duties gab es Frühstück, wir sind die einzigen Gäste, vielleicht wegen der Disko? ;-)

Danach fuhren wir ins Orkhon-Tal zu einer kleinen Pferdezüchter-Familie. Ca. 20 Pferde, Stuten und Fohlen, waren bei einem kleinen Ger an einem Berghang angebunden,. Wir stiegen aus und uns kamen 4 Kinder im Alter von 3 bis 10 Jahren und deren Eltern entgegen. Wir wurden ins Ger eingeladen, große Kochstelle in der Mitte, rechts und links steht ein Bett, Eimer, Schüsseln, Kisten stehen herum, der Boden ist mit Brettern belegt. Die Kinder waren sehr schüchtern, nur die Kleinste springt quietschvergnügt und nackig herum. Ich bekam ein Schüssel mit Airag, die vergorenen Stutenmilch zum Trinken, ein Stück getrockneten Quark und frischen, gelben Milchrahm. Ich bin eigentlich ein Milchverweigerer, aber hier mußte ich das annehmen und zumindest probieren. Es hat gar nicht schlecht geschmeckt, Der trockene Quark wie ein alter, salziger Pecorino, das Airag fast wie ein Weizenbier, nur dem Milchrahm konnte ich nichts abgewinnen. 

Dann sollte ich rauskommen, das Pferd stand schon bereit, ich sollte reiten. Das war dem Pferd sicher genauso lästig wie mir, aber was soll`s. Der enge, mongolische Holzsattel sah sehr unbequem aus, aber irgendwie wird es schon gehen. Ich stieg auf, der Sattel gab festen Halt, ich nahm den Zügel und mein Pferd lief los. Es war gutmütig und ruhig, es trottet so dahin, dann drücke ich die Fersen in die Seite, lasse den Zügel locker, schon begann es zu laufen. Um die Herde herum und wieder zurück, ich trau mich ein bisschen mehr und nach ein paar tschak-tschak wird mein Pferd auch schneller. Abfedern oder Aussitzen? Ich machte meine Runden zwischen Ger und Herde, es machte großen Spass und Purve fotografierte wie verrückt. Die Kids standen da, naschten an ihren Schokoriegeln und wunderten sich über den fremden, dicken Reiter. 

Nach dem Absteigen wurden die Stuten gemolken und ich konnte noch mit den kleinen Fohlen schmusen. 

Die Kinder bekamen noch Malstifte, Malbücher und Naschsachen, ich durfte nochmals Airag trinken, dann verabschiedeten wir uns und ging es hinunter ins Orkhon-Tal. 

Wir fuhren über Stock und Stein durch einen flachen Nebenarm auf eine Orkhoninsel. Das machte mit dem starken Toyota viel Spaß. Es gab am Fluss viele Vögel, Familien beim Zelten oder Picknicken, dazwischen Ziegen und Pferde. Beim Zurückfahren wurde das Auto gewaschen, Dreckspritzer müssen weg! Wir fuhren zurück ins Camp, das Mittagessen wartet schon, wir teilten meine Portion, denn ist wieder zuviel für mich. In der Mittagspause saß ich im Ger und schrieb an meinen Bericht, plötzlich - mich haut es fast vom Stuhl, huscht eine kleine Maus unter dem Bett hervor und verschwindet wieder. Was jetzt? Maus im Ger! Nach dem ersten Schreck musste ich lachen, keine Panik, es war nur eine kleine Maus. Draußen sind viele Mauslöcher, da wird sie sicher nicht im Ger bleiben wollen.

Purve fährt mich nochmals ins Museum, ich wollte noch mehr von Karakorum, der legendären mongolischen Hauptstadt wissen. Leider ist von dieser Stadt nicht mehr viel zu sehen, sie lag auf dem Gelände des jetzigen Lama-Kloster Erdene Zu.

Diese Museum ist wirklich sehr sehenswert, es bietet eine übersichtliche, gut gelungene Ausstellung und freundliche, hilfsbereite Mitarbeiter. 

Karakorum ist die ehemalige altmongolische Hauptstadt, die von Dschingis Khan im Jahr 1220 gegründet wurde.  Sie liegt rund 320 km westlich von Ulan Bator im Tal des Orchon. Erst unter Ugedai Khan, dem Sohn und Nachfolger Dschingis Khans, entwickelte sich Karakorum zur ersten Hauptstadt des Mongolenreiches. Von ihm wurde die Residenz zu einer richtigen Stadt ausgebaut und ab 1235 zusätzlich mit einer Befestigungsanlage versehen. Dieser nachfolgende Khan wandelte dann die mongolische Raubnation unter anderem auch durch die Einführung von Staatskanzleien und den Bau eines Khanpalastes in dieser Stadt (1236 bis 1256) zu einem dauerhaft organisierten Staatswesen. Für die Mongolen ist Karakorum noch heute die Keimzelle und Geburtsstätte ihres Nationalstaates.

Außerdem wurde die Stadt auch ein religiöses Zentrum und der Ort des Staatskultes. Nachdem unter Kublai Khan, dem Enkel von Dschingis Khan, der Buddhismus zur Staatsreligion erklärt wurde, hatten die Mongolen alles, was für die Stabilität eines großen Reiches in der Regel unbedingt erforderlich ist: Eine Hauptstadt, eine verbindende Schrift und eine Hochreligion.

Zur Ausübung der den Nomaden bisher unbekannten Tätigkeiten holten sich die Großkhane fremde Handwerker und Künstler in ihr Land, vor allem aber hierher in diese neue Hauptstadt. Die fremden Handwerker und Künstler kamen teils freiwillig zu ihnen, teilweise wurden sie jedoch auch hierher verschleppt. Genau so geschah es auch mit dem Pariser Goldschmied Guillaume Boucher, der 1241 in der Schlacht bei Muhi in Ungarn in Gefangenschaft geriet und von den Mongolen nach Karakorum gebracht wurde. Dort durfte er zwar die Stadt nicht mehr verlassen, aber er lebte in guten Lebensverhältnissen, neu verheiratet und mit eigenem Haus. Vom Khan bekam er den Auftrag, für seinen Palast einen auch später von Wilhelm von Rubruk als großes Kunstwerk ausführlich beschriebenen Silberbrunnen zu bauen, aus dessen vier großen Silberarmen zu bestimmten Anlässen jeweils Honigmet, vergorene Stutenmilch (Airag), Reisbier und Wein sprudelten.

Den Status als Hauptstadt des Mongolenreiches verlor sie unter Kublai Khan, der Peking als Hauptstadt wählte. Die Stadt verfiel endgültig im späten 16. Jahrhundert und wurde zum Steinbruch für das 1586 errichtete buddhistische Kloster Erdene Dsu, welches nachweislich zum Teil aus den Steinen der alten Hauptstadt aufgebaut wurde.

In der Nähe der genannten Klosteranlage wurden drei große steinerne Schildkröten gefunden. Die Forscher sind sich heute sicher, dass die Schildkröte damals das Wahrzeichen von Karakorum war. Schon in der chinesischen Tradition hat die Schildkröte eine große symbolische Bedeutung. Der gewölbte Panzer symbolisiert das Himmelsgewölbe und die flache Unterseite die Erde. Außerdem ist die Schildkröte ein männliches Symbol, das auch alle vier Himmelsrichtungen verkörpert und als besonders langlebig angesehen wird. Die Schildkröten gelten als Überreste des Khans-Palastes.

Wieder im Ger ziehen dunkle Wolken auf, Gewitterstimmung, ein Minisandsturm über Karakorum. Hoffentlich kommt keine Regenzeit, morgen wollen wir doch ins Orkhon-Tal fahren, da sollte es schon sonnig und trocken sein. Neue Gäste kommen an, Signorina Olympia aus Milano will auch ins Orkhon Tal und eine chinesische Reisegruppe sorgt mit der gemeinsamen Abend-Gymnastik für eine gute Stimmung. Ich habe heute noch mal ein Maus in meinem Ger gesehen (oder war es die gleiche?). Hoffentlich springt die nicht in mein Bett. Das Gewitter verzog sich wieder, alles wird gut und ohne Techno-Geräusch konnte ich gut und schnell einschlafen. 

Hier geht es zum nächsten Teil: Mongolei 2012 Teil 6


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